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Kurzbericht Carmen Anthonj (15.05.2014)

Bericht – Johanna Reiche (Juni 2014)

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Die WM 2014 und ihre Schattenseiten

Vier Jahre nach meinem letzten Brasilien-Aufenthalt hat mich die WM gelockt. Ich wollte mir ein eigenes Bild davon machen, wie das Land die WM meistert, und zwar nicht nur auf dem Fußballplatz. Die vielen Proteste und Unruhen im Vorfeld, seitens der brasilianischen Bevölkerung, konnten mich nicht von meinen Reiseplänen abbringen.

Schon die ersten Tage in Brasilien zeigten, dass die Sorge vieler Freunde in Deutschland eher unbegründet war. Nach einem kurzen ersten Aufenthalt in Duque de Caxias reiste ich mit meinem Vater in den Nordosten Brasiliens. Wir machten Halt in Recife, Olinda, besuchten einige Strandorte und zum Schluss nach Salvador. Von der WM haben wir allerdings meist wenig gespürt – bis wir nach Salvador kamen. An den Stränden, abgelegen der WM-Spielorte, traf man nur selten auf Touristen und konnte die „winterliche“ Ruhe am Strand genießen. Salvador war da schon anders. Die Fußball-Touristen sammelten sich im historischen Zentrum der Stadt und feierten Tag und Nacht auf der Straße. Die Präsenz der Polizei und des Militärs war dabei sehr deutlich zu spüren, denn an jeder Straßenecke gab es Aussichtsposten der Polizei. Zu Unruhen oder ähnlichem kam es jedoch nur selten – die Hauptaufgabe der Polizisten bestand darin, Taschendiebstähle zu verhindern. Zumindest war dies mein Eindruck. Im Vergleich zu Salvador ging es in Rio de Janeiro ruhiger zu. Die Präsenz der Polizei verteilte sich hier auf die ganze Stadt und die Proteste, die es während der WM gab, fanden im Verhältnis zum Confederations-Cup 2013, in kleineren Rahmen statt. Alles in allem war die Stimmung nach außen hin sehr gut.

Sobald man sich jedoch mit den Brasilianern an den Bushaltestellen oder am Strand unterhielt, konnte man eine gewisse Ablehnung gegen den FIFA-Verbund heraus hören. Der Umgang mit den Geldern der Brasilianer, welche anderswo viel dringender gebraucht werden, verärgert in Brasilien viele Menschen. Sie wünschen sich eine Krankenversicherung, eine gesicherte medizinische Versorgung und bessere Bildungschancen. Und dies zu Recht. Eine Versicherungspflicht gibt es in Brasilien nicht. Versichert ist der, der Geld hat oder dessen Arbeitgeber eine Versicherung bezahlt. Bei einem Mindestlohn von 840 R$ (Umgerechnet knapp 280 €) reicht das Geld in vielen Fällen nicht für eine Krankenversicherung. Dann sind die Menschen auf die Gesundheitsposten angewiesen, die kostenlose medizinische Versorgung anbieten – und an diesen mangelt es zunehmend. Statt mit den Geldern der WM neue Gesundheitsposten zu eröffnen werden Posten geschlossen. Man kann sich sicherlich vorstellen, was dies für die Bevölkerung in Brasilien bedeutet.
Zur allgemeinen Sicherheit in Rio de Janeiro lässt sich zunächst sagen, dass die Mordrate in der Stadt gesunken ist (dafür ist sie z.B. in Salvador deutlich angestiegen). Das Militär dringt schon seit einiger Zeit in die Favelas der Stadt vor, um diese zu „befrieden“. Die Drogenhändler werden vertrieben, Polizei-Reviere werden eingerichtet und die Infrastruktur an den Hängen von Rio soll verbessert werden. Diese Befriedungsaktionen bekommen nun aber die Bewohner der Baixada (Randgebiete und Vorstädte von Rio de Janeiro) zu spüren.

Die gesuchten Drogenhändler und Kriminelle flüchten in andere Gebiete. So auch in die Favela
Dicke II in Duque de Caxias. Bei meinem Besuch bei Tanja, einer guten Freundin des Kinderheims, wurde mir dies auch bestätigt. Tanja wohnt gegenüber der Favela Dicke II und bekommt die Veränderungen der Gegend fortlaufend mit. Von ihrem Haus aus beobachtet sie regelmäßig wie die Polizei nun in dieser Favela für Ordnung sorgen will, und dies geschieht nicht selten mit Schusswaffen. Sie selbst betritt die Favela nicht mehr – aufgrund der aktuellen Gefahr. Die Lebensmittel und Medikamente, welche sie für die Bewohner sammelt, werden von den Bewohnern direkt bei ihr zu Hause, in einigermaßen sicherer Entfernung zur Favela, abgeholt.

Die vom Netz geplante Lebensmittelspende im Wert von 1000€ konnte ich problemlos an Tanja übergeben. Wir haben den VW-Bus des Kinderheims mit reichlich Cesta Basicas (Pakete die die Grundnahrungsmittel enthalten) gefüllt und sie Tanja gebracht. Tanja sagte daraufhin: „Ihr kommt genau zur richtigen Zeit, ich habe momentan keine Lebensmittel mehr für die Bewohner – aber jeden Tag kommen die Mütter vorbei und hoffen, dass vielleicht heute Lebensmittelspenden eingetroffen sind.“ Wenn ihr mich fragt gibt es in diesem Fall keinen falschen Zeitpunkt. Tanja sammelt bereits jetzt Spielsachen für das Kinderfest im Oktober, damit auch wirklich jedes Kind ein Geschenk bekommt. Lebensmittel und Medikamente bekommt sie von Freunden und Helfern aus der Umgebung – aber eben auch nur unregelmäßig. Für eine solche Lebensmittelspende gibt es daher keinen unnötigen oder falschen Zeitpunkt.

Tanja bedankt sich auf diesem Wege beim Netz, dem Vorstand und all seinen Mitgliedern in Deutschland.

Das Kinderheim im Juni 2014

Seit meinem letzten Besuch im Kinderheim (2009-2010) hat sich im Kinderheim Lar Jesus é Amor einiges verändert. Alleine der aktuelle Standort des Kinderheims ist neu. Die Creche (Kindertagesstätte) und das Kinderheim haben die Räumlichkeiten getauscht – ein absoluter Gewinn für beide Einrichtungen. Das Kinderheim ist nun wesentlich weitläufiger und verfügt über mehr Platz für die Kinder. Neben einem großen Büro, Behandlungszimmer für die Ärztin, Spielbereich im Hof, 2 Schlafzimmer, Esszimmer, Küche, Spielzimmer, Lagerräumen im Obergeschoss verfügt das Kinderheim über eine große Überdachte Spielterasse im Obergeschoss. Die farbenfroh gestalteten Wände wirken freundlich und die Bereiche zum Essen, Spielen, Schlafen sind gut aufgeteilt und sehr gepflegt. Das Kinderheim ist momentan das Zuhause von rund 20 Kindern, darunter 10 Säuglinge. Das älteste Kind im Kinderheim ist ca. 3 Jahre alt. Die Anzahl der Säuglinge ist in den letzten Jahren nicht gesunken, sondern gestiegen, da das Lar Jesus é Amor weiterhin das einzige Kinderheim in der 2mio. Einwohnerstadt Duque de Caxias ist, welches Säuglinge aufnimmt.

Meinen Beobachtungen zu Folge wäre auch noch Platz für mehr Kinder – dafür würde es allerdings mehr Mitarbeiterinnen und mehr Material (Windeln etc. ) benötigen. Alleine der aktuelle Windelverbrauch liegt derzeit monatlich bei 4500-5000 Windeln, welche von Freunden und Nachbarn gespendet werden. Es macht jedoch keinen Sinn mehr Kinder aufzunehmen ohne die Ressourcen zu sichern. Meine Behauptung, dass ausreichend Platz vorhanden wäre begründe ich wie folgt. Im Erdgeschoss befindet sich derzeit ein Lagerraum für die Lebensmittel und Kleider der Kinder, dieser Raum wird jedoch ins Obergeschoss verlagert – sodass dieses Zimmer bald leer steht. Donna Irani und Geir würden diesen Raum gerne als Musikzimmer nutzen, was ich jedoch als nicht notwendig empfinde, da das Nachbarzimmer als Spielzimmer eingerichtet ist und ebenfalls Platz für einige Instrumente bieten würde. Ein gesondertes Musikzimmer wäre eher Luxus als dringend notwendig. Ich persönlich fände ein weiteres Schlafzimmer sinnvoller.

Die vom Netz finanzierten Umbauten wurden soweit es ging im Großen und Ganzen gut umgesetzt. Da die Gelder jedoch ausgingen wurden die Arbeiten unterbrochen. Die doppelte Überdachung der Lagerräume im Obergeschoss, mit Beton und „Wellblech“, führte zu diesen Mehrkosten. Diese Art der Überdachung ist aber absolut sinnvoll, um die Räume vor Nässe zu schützen. Aufgrund gesetzlicher Vorschriften muss der Lagerraum nun noch in drei kleinere Räume unterteilt werden, da Lebensmittel, Reinigungsutensilien und Medikamente getrennt voneinander gelagert werden müssen, mit je einer Tür davor. Im Raum der Lebensmittel ist zudem eine Klimaanlage vorgeschrieben, um den Verfall der Lebensmittel in den heißen Monaten zu verhindern.

Die von uns gewünschten Fenster an der Spielterasse,
im Obergeschoss, wurden nur einseitig eingesetzt, da es günstiger war und der Wind angeblich ohnehin immer nur von der nun geschützten Seite kommt.
Mit der nun überwiesenen Zuzahlung von 4500€ können die ausstehenden Arbeiten hoffentlich abgeschlossen werden, sodass ich bei meinem nächsten Besuch im November 2014 das endgültige Ergebnis sehen kann.

Die Creche

Die Tagesstätte konnte ich während meines Aufenthalts nur einmal während der sogenannten WM-Ferien besuchen.
Die Creche wird derzeit von der Stadtverwaltung finanziert und getragen, sodass die Kinder kostenlos das gesamte Angebot nutzen können. Durch die vollständige Kostenübernahme der Stadt können nun knapp 100 Kinder aus der unmittelbaren Nachbarschaft betreut werden. Zuvor konnten sich die Familien das Angebot der Creche nicht leisten. Den Kindern wird die Schulkleidung, 4 Mahlzeiten, Möglichkeiten zu duschen sowie ein umfassendes Betreuungsangebot gegeben. Die Kinder sind in 4 Klassen unterteilt welche sich nach dem Alter der Kinder richten. Eine Klasse mit 1jährigen, eine Klasse für die 2jähringen,… . Jede Klasse wird von einer Lehrerin, sowie von 4 Helferinnen betreut.
In den Klassenzimmern können die Kinder dann ihrem Alter entsprechend, spielen und lernen. Die Notwendigkeit dieser Einrichtung bekommen die Erzieherinnen/ Lehrerinnen jeden Montagmorgen zu spüren, wenn die Kinder vom Wochenende wieder kommen und mit knurrenden Mägen vor ihnen stehen – es gab dann mal wieder das ganze Wochenende kein Essen zuhause.

Die Tagesstätte an sich ist sehr liebevoll gestaltet und wird von der Leiterin Barbara gehegt und gepflegt. An einigen Ecken bröckelt jedoch die Farbe ab, was in Brasilien ja keine Seltenheit ist. Aber daran sieht man erst wie gut es dem Kinderheim geht, welches alleine optisch in einem top Zustand ist, und sich auf die Unterstützung aus Deutschland verlassen kann. Bei der von der Stadt finanzierten Creche liegt der Fokus weniger auf den Baumängeln, als auf der Versorgung der Kinder mit Lebensmitteln, Bildung und Kleidung – was meines Erachtens definitiv Priorität haben sollte.

Die Zeit in Brasilien war für mich wieder einmal sehr ereignisreich und ich habe die ausführlichen Gespräche mit Irani und Christina, sowie den anderen Mitgliedern der Familie sehr genossen. In den Gesprächen mit Irani kam immer wieder zur Sprache, wie alleine sie sich in Duque de Caxias manchmal fühlt, dass sie den Kontakt zu Menschen sucht, die sie in ihrer Arbeit auch vor Ort unterstützen und ihr Kraft geben. Vorallem von den Mitgliedern der Direktion des Kinderheims würde sie sich dies wünschen. Sie hat das Gefühl, dass die Mitglieder der Direktion nur auf dem Papier vermerkt sind und sich im Alltag nur wenig Gedanken um das Kinderheim machen. Irani sucht jedoch Halt und Unterstützung beim Rotary-Club in Duque de Caxias, sowie einer Frauengruppe (Grupo das Estrelas) die sich regelmäßig trifft und austauscht. Irani kann sich außerdem nach wie vor auf die Unterstützung ihrer ältesten Tochter Christina verlassen die ihre Arbeit, als Sozialarbeiterin im Kinderheim sehr gut macht. Ich denke, dass die Zukunft des Kinderheims mehr und mehr in Christinas Hände gegeben wird, was ich als äußerst positiv empfinde. Irani und Geir versuchen sich Schritt für Schritt etwas mehr zurück zu nehmen, um auf ihre angeschlagene Gesundheit zu achten.

Ich bin froh wieder einmal diese schönen und vielseitigen Erfahrungen in Brasilien gemacht zu haben und freue mich, diese mit euch teilen zu können.

Wir sehen uns bei der nächsten Vorstandssitzung, bzw. Mitgliederversammlung :D

Liebe Grüße Johanna Reiche

Donna Irani und ihre Adoptivtochter Luana

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Zeitungsbericht über Clara - erschienen in der Tageszeitung von Duque de Caxias (Juni 2014)